Mein Weg ins Kimusubi Dojo Villach
oder wie man menschlich wird
Jackson, erzähl uns etwas über dich
Ich bin Jackson Partridge, 22 Jahre. Ich wurde in einem Dorf namens Gunthorpe in Norfolk, UK geboren. Seit meiner Kindheit habe ich die Samurai geliebt, als mir mein Vater Miyamoto Musashi’s “Das Buch der fünf Ringe” gab. Ich habe diesbezüglich nichts unternommen, aber nach Abschluss der Universität, beschloss ich nach Japan zu gehen. Ich wollte – vielleicht musste – wissen, ob das alte Japan, das ich immer so liebte, noch existiert. Anfangs wohnte ich bei einem älteren Paar in den Bergen in der Nähe von Chino in der Nagaon Präfektur. Ich musste für meine Mahlzeiten den ganzen Tag Holz hacken und im Garten arbeiten.
Eines Tages ging ich zu einer Aikido Übung in die Stadt. Dort traf ich Ariga Sensei. Es ist vielleicht kitschig zu sagen, aber das änderte mein Leben. Er fuhr mich nach dem Training nach Hause, da der Bus zu den Pensionisten nur einmal in die Stadt fuhr und ich andererseits ca. 8 Meilen zu Fuß gehen hätte müssen. Ich ging immer wieder zur Übung. Nach der vierten oder fünften Fahrt nach Hause sagte er: “Ich denke du magst Aikido. Warum kommst du nicht für eine Woche nach Saku und bleibst bei mir in meinem Haus und übst jeden Tag?”
Als die erste Woche vorbei war und ich vermutlich hätte losgehen sollen, um einige Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, wie jede normale Person im Rest von Japan, habe ich stattdessen Ariga Sensei gefragt ob ich für weitere vier Wochen, bis zu meinem Rückflug, den Aufenthalt im Dojo bezahlten könnte. Er sagte “Nein, bitte bleibe in meinem Haus!”.
Warum hast du dich entschieden nach Villach zu kommen um Aikido zu üben?
Ich wohnte in Saku Dojo in heurigem Jahr (2015) für weitere 3 Monate und während dieser Zeit traf ich einen wirklich coolen Kerl. Sein Name war Matti Joensuu.
Meine Erfahrung in Saku war, dass das was man durch den Aufenthalt im Dojo lernt, vielleicht 20% das aktuelle, physische Aikido ist. Ich habe begriffen, dass dieser Mann mir einige Dinge über das Leben und über Aikido, in dieser Reihenfolge, lehren könnte (obwohl ich zu begreifen beginne, dass man diese beiden nicht wirklich trennen kann).
So habe ich ihn schließlich davon in Kenntnis gesetzt, dass ich nach Villach kommen und drei Monate bei ihm wohnen werde.
Was hast du bis jetzt getan und gelernt?
Matti Sensei hat mir am ersten Tag gesagt “Aikido ist für menschliche Wesen und es ist nutzlos für mich, Aikido jemanden zu lehren der jetzt nicht menschlich ist”. Er hatte dieses Funkeln in seinen Augen als er dies sagte. Ich wunderte mich in diesem Moment in was ich mich selbst da gebracht hatte.
Eine meiner ersten Lektionen war eine Lektion in Demut oder wie Matti es formulierte: “Fantastisch! Totale Erniedrigung”. Ich ging mit einem seiner Freunde und dessen Tochter klettern. Wie ich am Tag davor erfuhr, ist sie eine der besten Kletterinnen in Österreich. Ich dachte das sei ein Scherz, als sie mir das erzählten. Ich stand dort am Boden der Felswand und beobachtete wie diese Dame auf der Felswand nach oben glitt und ich sagte zu mir selbst: “Das kann nicht so schwer sein”.
Es war schwer. “Totale Erniedrigung” drückt es am besten aus. Die Finger pochten, die Beine krampften. Ich kletterte die Meter bis zum Boden zurück. Ich fühlte mich in diesem Moment nicht großartig, aber es wurde noch schlimmer, als ich durch meinen Schweiß der in meine Auge tropfte, eine zierliche Frau in meinem Alter erspähte, die in unsere Richtung kletterte. “Oh gut” dachte ich “zumindest bin ich nicht der einzige Anfänger”. Dann zog sie ihre Kapuzenjacke aus und ich konnte auf ihrem T-Shirt lesen ‘Frauen Kletterteam Österreich ”.
Die nächste Lektion bestand darin zu lernen mich zu entspannen und mich zu amüsieren, etwas in dem ich immer schlecht gewesen bin (Ehrlich gesprochen zeitweise wundere ich mich, ob ich so offen für Matti Sensei zu lesen bin, da diese Lektionen die meiste Zeit ziemlich treffend gewesen sind). Ich nahm an der European Bike Week mit 70.000 Harleys teil. Es war mein erstes Mal auf einem Motorrad und das auf einer Harley. Bei der ersten Ausfahrt verbrannte ich meine Hose an dem Auspuffrohr einer Softtail. Und dann dieser Abend, als wir nach Hause fahren wollten und wir gezwungen waren zu bleiben um ein paar Bier in einer Bar am Faaker See zu trinken, weil die Kupplung des Motorrads eines Freundes in dem dortigen Stau durchbrannte.
Als ich nach Villach kam, konnte ich der Idee ein Instrument zu spielen gar nichts abgewinnen. Aber Sensei sagte, dass eine Bedingung meines Aufenthaltes sei, dass ich beginne Piano zu spielen. Man sollte eine Kunst, irgendeine Kunst erlernen und Villach Dojo hat aktuell 3 Pianos! “Aikido bedeutet Sanftheit und Sensitivität” sagte er. “Du kannst die Pianotasten nicht nur schlagen.” Was er predigt, das setzt er auch um. Als ich ihm Piano spielen sah, bekam ich genau das gleiche Gefühl, wenn ich ihm beim Aikido beobachte. Dies hat mich überzeugt. Wenn die Fenster gereinigt werden sollten, sagte er zu mir, dies in der gleichen Art zu tun. “Es ist Aikido” sagte er. “Weiche Handgelenke, durchgängige Bewegung, benutze dein Zentrum… entspanne dich!”
Für das Pflegen des Rasens konnte er mir keine gute Aikido Begründung liefern, aber er überzeugte mich dies auch zu tun. Ich muss meine Art zu Leben irgendwie bezahlen!
Ein weiteres Beispiel ist Fußmassage. “Wenn du den Menschen dienst, wenn du ihnen deine Energie gibst, erzeugt dies ein Vakuum in dir und es kommt alles wieder zu dir zurück.” Mein Opfer für diese Übung war sein Sohn Miro.
Es gab auch eine Menge weiterer Themen. Lesen von Philosophie und Kampfkunst Bücher die er mir gab (“Karate, my Way Of Life” von Funakoshi, “Transparent Power” über Yukiyoshi Sagawa geschrieben von Tatsuo Kimura, etc.), Deutsch lernen, Kochen.
Mein Abenteuer in Villach ist wie in dem Film “Karate Kid”. Auch ich habe einen fantastischen Lehrer, der es irgendwie schafft mir Aikido beizubringen ohne mich Aikido zu lehren. Am Anfang war dies selbstverständlich sehr irritierend und sogar etwas beunruhigend (während meiner ersten vier Wochen, war Matti meistens im Ausland um zu lehren, so dass ich 95% meiner Zeit mit der “Erschaffung eines menschlichen Wesens” verbrachte; Matti‘s bevorzugte Phrase), aber wenn ich mit ihm Zeit verbrachte konnte ich die Wahrheit darin erkennen.
Oder vielleicht liege ich falsch und es ist alles vollkommener Unsinn und Matti wollte nur das die Fenster sauber und das Haus geheizt ist (nicht zu vergessen) und dies umsonst!
Noch etwas?
Nun es gibt noch etwas, auf das Sensei bestanden hat, das ich dies in dieses Interview mitaufnehme, aber ich bin nicht sicher. Er sagt, dass ich zu sehr an Essen denke. Sogar wenn ich esse, sagt er, denke ich an Essen. “Weit gefehlt” sagte er, als Greg Angus (ein 6. Dan Aikido Lehrer aus Toronto) und ich uns über das nächste Essen unterhielten (Okay ich gebe zu, wir haben zu dieser Zeit gerade gegessen), “es ist wie mit Hobbit’s zu leben.”
Wie auch immer, am nächsten Tag als ich dort saß und darüber nachdachte welche köstliche Bolognese Soße ich machen wollte, schlug er mich plötzlich mit diesen großen, dicken Buch – Healing with Whole Foods – auf den Kopf und sagte “Lies das!”
“Die dauernde Beschäftigung mit Essen erzeugt eine Illusion eines Getrenntseins von Geist und Essen und spiegelt einen Mangel an Vertrauen wider, dass wir letztendlich nicht ausgestattet sind, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen.”
Ich verstehe das noch nicht. Vielleicht deshalb weil ich noch nicht vollständig menschlich bin.